September: Golden Rod (Solidago virgaurea)
Die Tage werden nun spürbar kürzer, und die Herbst-Tagundnachtgleiche rückt heran. Nur noch wenige Pflanzen blühen und bieten späten Insekten Nahrung. Die anderen haben schon längst das wachsende Leben in ihrem Innern ruhiggestellt und durch holzige Samenschalen geschützt. Auch bei der Goldrute sind nun fast alle Blüten schon abgefallen, und der im August noch prächtig goldene Blütenstand hat sich in einen Schopf brauner Früchte verwandelt, die nun unter silbernen Haarschirmen zum Abflug bereit stehen.
Diese Verwandlung des goldgelben Blütenstands in ein „braunsämiges Haupt“ wurde durch das Hormon Abscisinsäure ausgelöst, das in Antwort auf das langsame Austrocknen der welkenden Blätter entsteht und alle Lebensvorgänge langsam herunterfährt, so dass der neuentstandene Embryo während seiner Reise mit dem Wind vor Schaden geschützt wird, bis er, nach Landung und Winterschlaf, im nächsten Frühjahr sein neues, eigenes, Leben beginnt.
Die heimische Goldrute kommt in vielen Unterarten über ganz Eurasien hinweg vor, von Finnland bis zum Mittelmeer, von den Meeresküsten bis jenseits der Baumgrenze in den Alpen. Wie häufig bei solch erfolgreichen Pflanzen, verlässt sie sich nicht ausschließlich auf eine Fortpflanzung durch Samen, sondern bildet unterirdische Ausläufer, aus denen sie immer wieder von neuem austreiben kann. Wo sie sich einmal niedergelassen hat, ist sie also nicht so leicht zu vertreiben. Das kann durchaus auch Schwierigkeiten schaffen – vor allem bei der im 17. Jahrhundert als Zierpflanze von Kanada nach Frankreich eingeführten Kanadischen Goldrute, die, wie so viele Pflanzen aus Nordamerika, größer, schneller und fortpflanzungsstärker auftritt als ihre europäische Verwandte. Fast unaufhaltsam breitet sie sich in ganz Europa aus und ist für den Naturschutz zu einem wirklichen Problem geworden.
Es sei jedoch nicht verschwiegen, dass beide Arten der Goldrute für Bienen und Menschen auch von Nutzen sind. Schon der lateinische Name Solidago (von solidare, festigen, heilen) deutet darauf hin. Aufgrund ihrer harntreibenden Wirkung wird sie gegen Blasenleiden eingesetzt – eine Praxis, die schon im 13. Jahrhundert durch den spanischen Arzt Arnald de Villanueva beschrieben wurde. Im Mittelalter war sie bei uns als Heydnisch Wundkraut bekannt – der Versuch, sie in St. Petrus-Stab-Kraut umzutaufen und so christlich einzugemeinden, scheiterte kläglich. Wenn man einen Sud aus Goldrute schüttelt, bildet sich Schaum – dies geht auf sogenannte Saponine (Seifenstoffe) zurück, die auch für die harntreibende Wirkung verantwortlich gemacht werden. Neben dem Einsatz als Heilpflanze wurde die Pflanze auch für andere Zwecke genutzt: ein in den Blüten angereichertes Flavonoid (wörtlich „Blondstoff“) namens Virgaureosid lässt sich hervorragend zum Färben von Stoffen einsetzen.