Zitronenmyrte (Backhousia / Leptospermum)

Die beiden Arten, die als Zitronenmyrte (Lemon Myrtle) gehandelt werden, links Backhousia citriodora, rechts Leptospermum citratum.
Die Puzzleform der Epidermis verrät, dass die Probe von Backhousia citriodora stammt.
Die Zellen von Leptospermum citratum sind dagegen eher quaderförmig (Zeichnung Michael Rühle).
Der molekulare Test - linke Spur Backhousia citriodora (kein Schnitt, eine Bande), rechts daneben Leptospermum citriodora (Schnitt, zwei Banden).

 

Novel Food - Wie schützt man die Verbraucher vor Lebensmittelfälschungen?

Infolge der Globalisierung drängen immer häufiger Nahrungsmittel exotischen Ursprungs auf  den europäischen Markt. Dies stellt Lebensmittelüberwachung und Verbraucherschutz vor besondere Herausforderungen – hohe Preise, unklare Herkunft und wenig gesichertes Wissen über die Wirkung dieser Pflanzen bilden ein ideales Feld für Lebensmittelpanscher. Die EU versucht, diese neuen Lebensmittel mit einer eigenen Novel Food Verordnung zu regulieren. Zunächst einmal muss man eindeutig klären, welche Pflanze man vor sich hat.

Zitronenmyrte (Lemon Myrtle) – ein Name, zwei Pflanzen

Seit knapp fünf Jahren wird die Zitronenmyrte bei uns immer populärer. Aufgrund ihres aromatischen Geruchs wird sie bisweilen als „Königin des Zitronendufts“ gefeiert. Die australischen Aborigines benutzen die Zitronenmyrte schon lange als Gewürz und für medizinische Zwecke. Freilich meinen nicht alle dasselbe, wenn sie Zitronenmyrte oder Lemon Myrtle sagen – es gibt nämlich zwei völlig unterschiedliche Pflanzenarten, die so heißen und auch so duften: Backhousia citriodora F.Muell und Leptospermum citratum (ex. J.F.Bailey & C.T.White) Challinor, Cheel & A.R.Penfold. Wie man an dem komplizierten Namen der zweiten Art sehen kann, wurde die Taxonomie dieser Gattung mehrfach umgestellt, wodurch das Chaos vollkommen wurde. Beide Arten gehören zu den aromatisch duftenden Myrtengewächsen und stammen aus dem nordwestaustralischen Regenwald in Queensland.

Warum man nicht einfach „was soll’s“ sagen darf…

Man kann sich natürlich fragen, wozu man diese beiden Arten überhaupt unterscheiden sollte, wenn man doch beide nutzen kann und beide sehr aromatisch duften. Dafür gibt es zweierlei Gründe: Gehalt und Zusammensetzung der aromatischen Öle sind nämlich durchaus unterschiedlich. Bei Backhousia kommt neben den Monoterpenen Citral, Geranial und Linalool auch noch Citronellal vor und darauf reagieren manche Menschen mit Hautreizungen und Entzündungen. Außerdem ist der Preis für das kleinblättrige und seltenere Leptospermum deutlich höher als für das derbere und häufigere Backhousia

Wie kann man die beiden Arten unterscheiden?

Zunächst einmal braucht man eine sogenannte Referenz, das sind Pflanzen, von denen man mithilfe von Expertenwissen ganz sicher weiß, dass es sich um Backhousia bzw. Leptospermum handelt. Diese Referenzpflanzen werden nun unter ganz genau denselben Bedingungen aufgezogen, um mögliche Störungen durch unterschiedliche Umweltbedingungen ausschließen zu können. Dann sucht man nach Unterschieden in der Form oder Größe von Zellen, die für die jeweilige Art charakteristisch sind. Bei den beiden Zitronenmyrten wurden wir bei den Zellen der Außenhaut (der sogenannten Epidermis) fündig – bei Backhousia sind diese nach Art eines Puzzlespiels verzahnt, bei Leptospermum dagegen eher ziegelförmig. Inzwischen wird die Zitronenmyrte jedoch auch zunehmend als Pulver eingesetzt, vor allem in Milchprodukten. Im Gegensatz zu Zitronensaft kann man so ein starkes Citrusaroma erzeugen ohne dass die Milch gerinnt. In einem Pulver kann man natürlich die Zellform nicht mehr unterscheiden. Wir haben daher einen Test entwickelt, der auf Unterschieden in der DNS beruht. Grundlage ist das rbcL Gen, das für die Photosynthese wichtig ist. Dieses Gen kann sehr leicht über eine sogenannte Polymerase-Kettenreaktion (PCR) vervielfacht werden. Das klappt sogar bei einer getrockneten Teemischung, die Zitronenmyrte enthält oder fein gemahlenen Pulverpräparaten. Die beiden Arten tragen nun einen kleinen Unterschied in diesem rbcL Gen. An einer Stelle, wo bei Backhousia ein T steht, hat Leptospermum ein C. Müssen wir nun jedes Mal, wenn wir die Arten unterscheiden wollen, dieses Gen aufwendig ablesen (sequenzieren)?

Das müssen wir zum Glück nicht. Es gibt nämlich molekulare Scheren, sogenannte Restriktionsenzyme, die Gene an bestimmten Stellen durchschneiden, die durch eine ganz bestimmte Sequenz (in der Regel „Worte“ aus 6 chemischen Buchstaben) markiert sind. Diese Restriktionsenzyme sind geradezu haarspalterisch genau. Wenn in der Erkennungssequenz nur ein Buchstabe ausgetauscht wird, schneiden sie nicht mehr. Wir mussten nun nur noch ein Restriktionsenzym finden, das so zwischen den beiden Arten unterscheiden kann. Diese molekulare Schere gibt es tatsächlich – sie heißt Sac2 und schneidet das rbcL-Gen von Leptospermum in zwei Teile, lässt aber das rbcL-Gen von Backhousia unangetastet. Wenn man nun also eine PCR durchführt, das Produkt mit Sac2 behandelt und das Ergebnis auf einem Gel auftrennt, bekommt man bei Backhousia nur eine Bande, bei Leptospermum jedoch zwei. Damit lassen sich die beiden Arten also zweifelsfrei unterscheiden, selbst wenn sie so stark pulverisiert sind, dass man keine Zellen mehr erkennen kann.