Piper auritum (Ohrenpfeffer, Makulan)
Im Dschungel des Tropenhauses neben dem populären Kakaobaum gerne übersehen: der Ohrenpfeffer-Baum mit seinen großen hellgrünen Blättern und merkwürdigen weißen Blütenkolben.
In seiner Heimat Yucatán wird er auch mit dem Maya-Wort Makulán bezeichnet und war früher eine wichtige Zutat zu den kultischen Rauchfeuern der Azteken. Wegen dieser Geschichte heißt der Baum in Mexiko auch heute noch hoja santa. Im Gegensatz zu den anderen Pfeffer-Arten sind es hier nicht die Früchte, die genutzt werden, sondern die würzig nach Anis duftenden Blätter, daher auch der deutsche Name Mexikanischer Blattpfeffer. Der Name Ohrenpfeffer ist vermutlich eine Verballhornung des englischen Namens ear pepper (eigentlich Ährenpfeffer, aufgrund der ährenartigen Gestalt der weißen Blütenstände). Bei uns ist Makulán als Gewürz kaum bekannt, aber in Südmexiko wickelt man gerne Fleisch oder Maisknödel in die Blätter ein oder bereitet eine Art Pfefferpesto namens mole verde zu. Auch in der Volksmedizin setzt man die Pflanze als Mittel gegen Durchfall und Fieber ein.
Der aromatische Geruch, der an Anis, Muskat und Pfeffer erinnert geht auf den Inhaltsstoff Safrol zurück, das von einigen der neuweltlichen Pfefferarten gebildet wird, aber den altweltlichen Pfefferarten, etwa dem bei uns gängigen Schwarzen Pfeffer komplett fehlt. Dieser Stoff zählt zu den Phenylpropanoiden und entsteht als Seitenprodukt der Bildung von Holzstoff (Lignin), ähnlich wie die Abkömmlinge der Zimtsäure, die bei den Lorbeergewächsen (Lorbeer, Avocado, Zimt, Kampfer) für das typische Aroma verantwortlich sind.
In diesem chemischen Detail hat die Evolution ihre Spuren hinterlassen: die Pfefferartigen sind nämlich so wie die Lorbeerartigen uralt und gelten als sehr urtümliche Blütenpflanzen (Angiospermen), die daher weder den Ein- noch den Zweikeimblättrigen zugeordnet werden können. Diese kleine, aromatische Abzweigung vom Lignin-Syntheseweg wurde später dann von den moderneren Angiospermen chemisch weiterentwickelt - als Endprodukte entstanden nicht nur die auch medizinisch interessanten Flavonoide, sondern vor allem auch die rot-violett gefärbten Anthocyane, die vielen Früchten und Blüten ihre charakteristische Farbe verleihen.
Der aromatische Duft des Makulán trägt uns als eine Art chemische Urzeit in die Nase.
So wie die Aromen des Zimtbaums ist aber auch Safrol ein zweischneidiges Schwert - einerseits kann es den Arachidonsäure-Signalweg hemmen, der in unserem Körper bei Entzündungen und Schmerzreaktionen aktiviert wird. Das ist vermutlich die Ursache für die fiebersenkende Wirkung des Ohrenpfeffers, die schon von den Heilern der Maya genutzt wurde. Andererseits geht einem Safrol im wahrsten Sinne des Wortes "auf die Nieren" (auch auf die Leber) und kann, im Übermaß und dauerhaft eingenommen, auch Leber- und Nierenkrebs erzeugen (etwas Ähnliches wird auch dem chemisch verwandten Cumarin aus dem Zimt nachgesagt).
Freilich gilt wohl auch hier der alte Satz des Paracelsus "Es ist kein Ding ohne Gift, die Dosis macht das Gift".