Maßgeschneiderte Genom-Modifikationen zur Verbesserung von Nutzpflanzen

Die Gene - entdeckt von dem Karlsruher Joseph Kölreuter, heute intensiv untersucht an den Modellpflanzen Tabak und Schmalwand
Mikro-Tomate als Modellsystem. Mit diesem Modell-Organismus werden die Ansätze des Genome Engineering erstmals für die konkrete Anwendung in Nutzpflanzen getestet.
Programmierbare Erzeugung von Schnitten in der Erbinformation und deren Reparatur.
Genome Engineering

Karlsruhe als Wiege der Genetik: Bei Vererbung werden die meisten an Johann Gregor Mendel (1822 - 1884) denken. Er war es, der anhand seiner Kreuzungsexperimente mit Erbsen erstmals quantitativ die Gesetze der Vererbung beschrieb und die nach ihm benannten Mendelschen Regeln aufstellte. Die wenigsten jedoch dürften wissen, dass diese grundlegenden Beobachtungen bereits schon etwa 100 Jahre früher gemacht wurden – und zwar durch Joseph Gottlieb Kölreuter (1733-1806) hier in Karlsruhe! Er arbeitete mit klar unterscheidbaren Tabak-Arten und konnte zeigen, dass beide Elternteile ihren Beitrag zur Gestalt der Nachkommen leisten und dass deren Nachkommen wiederum teilweise neue Merkmals-Kombinationen aufweisen. Worauf jedoch sind diese neuen Kombinationen zurückzuführen? In der Tat kommt es zu neuen Kombinationen von Merkmalen und diese wiederum beruhen auf der Neukombination (Rekombination) der Erbinformation.

Von Mendel zur DNA: Unter DNA-Rekombination versteht man die Neu- oder Wiederverknüpfung von DNA-Molekülen. Die Rekombination stellt die Grundlage für die genetische Vielfalt dar, denn sie ist für den präzisen Austausch von Sequenzabschnitten zwischen den elterlichen Chromosomen während der Meiose verantwortlich. Rekombinations-Vorgänge sind auch von entscheidender Bedeutung für die Reparatur von besonders schwerwiegenden DNA-Schäden, so genannten Doppelstrangbrüchen, die für eine betroffene Zelle sonst in der Regel letal sind. Außerdem ist die Rekombination von DNA-Molekülen die Basis der stabilen genetischen Transformation, bei der neu in eine Zelle eingebrachte Sequenzen mit der Erbinformation verknüpft werden. Grundsätzlich unterscheidet man bei Rekombinations-Vorgängen zwischen homologer und nicht-homologer Rekombination.

Molekulare Scheren revolutionieren die Pflanzen-Züchtung. Mit der Entdeckung und Aufklärung der Funktionsweise des CRISPR/Cas-Systems aus Bakterien konnte ein neuartiges Werkzeug entwickelt werden, mit welchem Molekularbiologen hochspezifisch Schnitte in der Erbinformation von Lebewesen einführen können [neue Abbildung 1]. Das System selbst ist natürlichen Ursprungs und dient Bakterien als Immunsystem zur Abwehr gegen Bakteriophagen. Wissenschaftler haben das System so modifiziert, dass nahezu jede Position im Pflanzengenom geschnitten werden kann. Da solche Schnitte auch durch zufällige Beschädigungen der Erbinformation zustande kommen können, haben die Zellen aller Lebewesen Reparaturmechanismen zu deren Beseitigung. Da diese Prozesse mittlerweile gut erforscht sind, können wir durch das gezielte Einführen spezifischer Schnitte deren anschließende Reparatur vorhersagen bzw. korrigierend eingreifen. Auf diese Weise lassen sich kleine Veränderungen in der Erbinformation von Nutzpflanzen [neue Abbildung 2]  ebenso herbeiführen wie Umstrukturierungen der Informationsgruppen (Gene) auf den Chromosomen [neue Abbildung 3]. Diese Veränderung so genannter Kopplungsgruppen ermöglicht es Pflanzenzüchtern auch, vorteilhafte Merkmale miteinander zu kombinieren oder Nachteilige voneinander zu trennen, welche in der Erbinformation so nahe beieinander vorliegen, dass eine Zusammenführung bzw. Trennung gemäß den Regeln der Mendel’schen Vererbung nahezu ausgeschlossen ist. Auf diese Weise sind neuartige und effiziente Strategien zur schnellen und kostengünstigen Verbesserung des genetischen Repertoires von Nutzpflanzen möglich und natürlich vorhandene genetische Ressourcen können durch geschickte Kombination bestmöglich ausgenutzt werden. Zudem sind diese neuen molekularen Werkzeuge so präzise, dass die hergestellten Modifikationen in der Erbinformation nicht von natürlich auftretenden Sequenzen unterschieden werden können.

Link:  http://www.kit.edu/kit/pi_2017_046_pflanzen-mit-passgenau-kombinierten-eigenschaften.php

Programmierbare Erzeugung von Schnitten in der Erbinformation und deren Reparatur. Das zielgerichtete Einführen eines Bruches im Pflanzengenom kann zur ortsspezifischen Mutagenese verwendet werden (SDN-1). Alternativ können durch das zur Bruch-Induktion gleichzeitige Anbieten einer linearen DNA-Sequenz mit Homologien zu den Bruchenden kleine (SDN-2) oder größere arteigene oder artfremde Sequenzabschnitte (SDN-3) mittels in das Genom eingebaut werden. SDN: Site Directed Nuclease; Klassifikation.

Genome Engineering. Durch simultanes Einführen von Schnitten im Genom und deren Reparatur können Sequenz-Abschnitte (a) invertiert, (b) entfernt oder mobilisiert und reziproke Chromosomen-Translokationen (c1, c2) induziert werden. Damit lassen sich gezielt neue genetische Kopplungsgruppen erzeugen oder existierende aufbrechen und Limitationen der klassischen Pflanzenzüchtung überwinden. Arteigene Sequenzen können so zu neuen funktionalen Einheiten verbunden werden und damit das genetische Potenzial einer Spezies nutzen helfen.