Vom Hofküchengarten zum ersten Botanischen Garten
Die Pariser École Technique war einst Vorbild der im Jahre 1825 durch Erlass des badischen Großherzogs Ludwig gegründeten Polytechnischen Schule. Sie sollte höhere technische Bildung auf wissenschaftlicher und mathematischer Grundlage vermitteln. Bereits im 18. Jahrhundert existierten in allen deutschen Ländern Gewerbe-, Handwerker- und Fachschulen. Durch den großherzoglichen Erlass wurden die Karlsruher Schulen in der neuen Polytechnischen Schule vereinigt. Darunter war auch eine Forstschule, durch die die Bereiche Botanik und Zoologie an die Polytechnische Schule kamen. Bis zum Jahre 1878 waren die Lehrgebiete Botanik und Zoologie vereint, wurden dann aber in zwei Abteilungen aufgeteilt. Als Botaniker wurde Prof. Dr. Leopold Just berufen, der sich für eine Vergrößerung des Botanischen Instituts und Errichtung eines Botanischen Gartens einsetzte. Im April 1879 bat er Großherzog Ludwig um Überlassung eines Teils des Großherzoglichen Küchengartens, welcher in der Nähe der Polytechnischen Schule lag:
"Ich wüßte in der Umgebung von Karlsruhe kein Terrain anzugeben, das für die Anlegung des Gartens so vorteilhaft wäre, die Errichtung desselben so erleichterte als gerade ein Theil des Großherzoglichen Küchengartens."
Erwähnenswert ist, dass die badischen Markgrafen und die späteren Großherzöge allesamt begeisterte Natur- und Pflanzenfreunde waren. Beispielsweise entstand bereits 1809 ein noch heute existierender Botanischer Garten in der Nähe des Schlosses. So ist es nicht verwunderlich, dass der Großherzog der Bitte von Prof. Dr. Just stattgab und der Polytechnischen Schule 1,5 Hektar des Küchengartens mit den darauf stehenden Gewächshäusern übergab.
Der Botanische Garten am Durlacher Tor
Aus dem großherzoglichen Küchengarten entstand ein kleiner, aber reichhaltiger Botanischer Garten mit einer systematischen und einer Arzneipflanzen-Abteilung. Auch drei Gewächshäuser waren nun Eigentum des neuen Botanischen Gartens. Leider verstarb Prof. Dr. Just bereits 1891, sein Nachfolger wurde der Geheime Hofrat Professor Ludwig Klein. Unter seiner Leitung gelangte der Botanische Garten zur höchsten Blüte. Klein war neben seiner Vorliebe für europäische Waldbäume zudem als Herausgeber von reich illustrierten naturwissenschaftlichen Taschenbüchern bekannt.
1897 wurde das Botanische Institut fertiggestellt, und im Mai 1899 wurden einige Neubauten im Botanischen Garten eingeweiht. So verfügte der Garten nun über ein beheizbares Freiland-Wasserbecken, in dem verschiedene Sumpf- und Wasserpflanzen beheimatet waren. Außerdem kamen eine Koniferen-Ecke, eine Gehölzsammlung, ein so genanntes Arboretum, sowie ein Alpengarten hinzu. Letzterer war seiner Zeit einzigartig: Der nach Plänen von Prof. Klein und Obergärtner Endres angelegte Alpengarten präsentierte sich als eine reich gegliederte, bis zu fünf Meter hohe Felspartie, deren einzelne Bereiche nach verschiedenen Bergen frei gestaltet waren. Ein alpines Hochtal, eine Geröllhalde und eine Alpenwiese waren ebenso vorhanden wie ein kleiner See und ein Moorbeet.
Der Garten in der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs
Der erste Weltkrieg und die sich anschließende Notzeit verursachten eine Reihe schwerer Rückschläge, unter denen der Botanische Garten leiden musste. Nach Professor Kleins Tod im Jahre 1928 wurde dessen Stelle als Ordinarius für Botanik nicht wieder besetzt, Forstwissenschaft und Pharmazie wurden aus Karlsruhe verlegt. Das Botanische Institut wurde ab 1933 von einem Regierungs-Botaniker geleitet, dessen Tätigkeitsgebiete Allgemeine Mikrobiologie und Lebensmittel-Mikrobiologie waren. Der folgende Text aus einem Hochschulführer aus dem Jahre 1935 belegt die sich daraus ergebenen Veränderungen:
"Das Botanisch-Mikrobiologische Institut und der Botanische Garten sind in Unterricht und Forschung besonders auf die Pflege der Grenzgebiete zwischen Botanik, Chemie, Kältetechnik und Landwirtschaft eingestellt. Neben dem Studium der Allgemeinen Botanik als Haupt- oder Nebenfach ist Gelegenheit zur Spezialausbildung in der für Chemiker und Chemie-Ingenieure wichtigen Mikrobiologie gegeben."
Eine längere Zet geplante Umgestaltung, Erneuerung und Ergänzung der Pflanzenbestände und Einrichtungen des Gartens wurde wohl durch den Ausbruch des zweiten Weltkriegs verhindert. In dieser Zeit wurden im Botanischen Garten kriegswichtige Hochschulinstitute errichtet, wodurch Alpengarten und Gehölzsammlung komplett verloren gingen. Durch mehrere Flieger-Angriffe wurden das Botanische Institut sowie der Garten in erhebliche Mitleidenschaft gezogen.
Die Nachkriegsjahre und der neue Botanische Garten am Fasanengarten
Bald nach Kriegsende begann man mit dem Wiederaufbau des Botanischen Gartens unter der Leitung von Prof. Hans Kühlwein: Der flächenmäßig stark geschrumpfte Garten mit seinen völlig veralteten Gewächshäusern und Einrichtungen wurde notdürftig wieder hergerichtet. Ab 1946 war das Studium der Pharmazie in Karlsruhe wieder möglich, auch die einstigen biologischen Fächer wurden allesamt wieder gelehrt. Im Lauf der Jahre nahm die Zahl der Biologie- und Pharmazie-Studenten stetig zu, so dass der Bedarf an Pflanzenmaterial durch den Garten bald nicht mehr gedeckt werden konnte. Weite Teile des bisherigen Botanischen Gartens wurden für die Vergrößerung des Verkehrsknotenpunktes Durlacher Tor benötigt, außerdem war an seiner Stelle der Neubau des Bauingenieur-Gebäudes geplant. So entschied man sich für die Verlegung und einen Neuaufbau des Botanischen Gartens. In den Jahren 1956 bis 1958 wurde der neue, rund zwei Hektar große Botanische Garten am Adenauerring gebaut. Planung und Einrichtung lagen in den Händen von Professor Kühlwein, Garteninspektor Carolus und Gartenmeister Weiler. Bereits im Herbst 1957 wurden die meisten Pflanzen aus den Gewächshäusern des alten Gartens in die des neuen Garten überführt. Im Frühjahr 1957 wurden schließlich alle noch verpflanzbaren Bäume, Sträucher und Stauden umgesetzt. Es ist erstaunlich, wie viele Arten im alten Botanischen Garten trotz den nicht gerade optimalen Bedingungen vorhanden waren. Diese Pflanzen bildeten einen wertvollen Grundstock für den stetig wachsenden Bestand im neuen Garten. In den Jahren 1977 bis 1980 wurde der Botanische Garten erweitert, es wurde ein neues Versuchsgewächshaus mit einer Klimakammer und verschiedenen Laboratorien gebaut. Dort werden beispielsweise die in großer Zahl benötigten Versuchspflanzen für die Botanischen Institute gezogen.
In den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für den Botanischen Garten verschärft: Zum einen wurde ein Großteil der Gärtnerstellen gekürzt, zum anderen fehlen Gelder zur dringend notwendigen Sanierung der Gewächshäuser. Dennoch wird der Botanische Garten auch in Zukunft den Dialog mit der Öffentlichkeit suchen. Wir freuen uns über Ihren Besuch - zu einer unserer Führungen oder auch einfach so!
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