Taraxacum balticiforme
Sie sehen auf den ersten Blick aus wie gewöhnliche Löwenzähne, sind in Wirklichkeit aber floristische Besonderheiten: Löwenzähne aus der Sektion der Sumpf-Löwenzähne, zu denen auch Taraxacum balticiforme gehört. Diese zierliche Art ist von derzeit zehn verschiedenen Wuchsorten am Bodenseeufer bekannt.
Löwenzähne weisen eine besondere Form der Fortpflanzung auf, die Apomixis. Hierbei werden die Samen ohne Befruchtung der Eizelle gebildet, eine geschlechtliche Vermehrung findet also nicht statt. Apomixis ist stets mit einer Vervielfachung des Chromosomensatzes verbunden (Polyploidisierung). Da hierbei häufig Störungen bei der sexuellen Fortpflanzung auftreten, sind Nachkommen polyploider Pflanzen in der Regel steril: sie können sich nicht mehr weiterverbreiten. Im Lauf der Evolution haben sich aber Mechanismen herausgebildet, die diesen Nachkommen dennoch eine Fortpflanzung er- möglicht. Hierzu gehört auch die Apomixis, weshalb apomiktische Arten wie die Löwenzähne genetisch als Klone zu betrachten sind. Geringe morphologische und physiologische Unterschiede werden stabilisiert, weil kein Genfluss mehr stattfindet. Man kann darüber streiten, ob es Sinn macht, all diese so genannten Kleinarten wie Taraxacum balticiforme benennen und bestimmen zu wollen. Sie sind aber auf jeden Fall ein evolutionsbiologisch interessantes Phänomen und spiegeln die genetische Vielfalt auf eine besondere Weise wider.
Sumpf-Löwenzähne wie Taraxacum balticiforme besiedeln wechselfeuchte und nährstoffarme Standorte wie Streuwiesen und Strandrasen. Alle Arten sind hochgradig gefährdet und stehen auf fast allen Roten Listen der Bundesländer: Da alle Sumpf-Löwenzähne sehr konkurrenzschwache Arten sind, die in dichter und hochwüchsiger Vegetation leicht verdrängt werden, sind sie durch Nährstoffeintrag und unzureichende Pflege der Biotope erheblich gefährdet. Dem Land Baden-Württemberg kommt eine besondere Verantwortung beim Schutz der Sumpf-Löwenzähne zu, da am Bodenseeufer eine hohe Zahl an Kleinarten in relativ großen Populationen vorkommt.
Vom Naturstandort bei Konstanz wurden im Juni 2005 Samen von Taraxacum balticiforme gesammelt. Aus diesen wurde im Botanischen Garten des KIT eine Erhaltungskultur angelegt.