Mai: Scharfer Hahnenfuß (Ranunculus acris)

Lehmann_Mai_Hahnenfuß
"Im aufgehelltenVormittagslicht überdeckt jetzt das reiche Gelb des Hahnenfußes das Weidefeld mit schimmerndem Goldnebel.“ Bukolisches Tagebuch, 4. Mai 1931

Diese Pflanze, im Volksmund oft auch als „Butterblume“ bezeichnet, gehört zu den gängigsten Bewohnern von Wiesen und ist in ganz Europa von der Küste bis zum Hochgebirge eine alltägliche Erscheinung. Der Name ist wohl von der Form der Blätter abgeleitet, die tatsächlich an einen Hahnenfuß erinnern. Der lateinische Name bedeutet „Fröschlein“ und mag entweder darauf hindeuten, dass diese Pflanze gerne an feuchten Standorten siedelt, wo auch Amphibien vorkommen, vielleicht ist der Name aber von den kleinen Nussfrüchtchen abgeleitet, die an Kaulquappen erinnern.

 

Die prächtig buttergelb gefärbten Scheibenblüten sind für allerlei Insekten attraktiv, können sich aber ebensogut selbst befruchten. Die Bauern sind vom Hahnenfuß freilich weniger begeistert als blumenstrauß-versessene Städter. Die Pflanze enthält nämlich den scharf schmeckenden im Mund und Verdauungstrakt gar Verätzungen hervorrufenden Wirkstoff Protoanemonin, so dass das Vieh diese Pflanze instinktiv meidet. Vergiftungen sind daher selten, es sei denn, der Bauer füttert sein Vieh mit frischem Gras, das mit reichlich Hahnenfuß versetzt ist. Beim Trocknen wird das Protoanemonin durch Sauerstoff-Einwirkung zum harmlosen Anemonin dimerisiert. In der Volksmedizin wurde diese Pflanze bisweilen zum Austreiben von Würmern genutzt – bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts ein häufiges Problem, weil das Trinkwasser häufig verunreinigt war.

 

Über ein bis einen halben Meter ins Erdreich reichenden unterirdischen Spross (ein Rhizom), an dem jedes Jahr neue Seitentriebe austreiben, ist der Hahnenfuß kaum loszuwerden, wenn er sich in einer Wiese erst einmal festgesetzt hat. Diese robuste Pflanze kommt auf der gesamten Nordhalbkugel vor, also auch in Nordamerika und in Sibirien. Sie zählt zu den ursprünglichsten Zweikeimblättrigen, was man auch daran erkennen kann, dass die Früchte nicht verwachsen, sondern einzeln stehen, was als primitives Merkmal gilt.

 

Lehmann beschreibt in seinem Tagebucheintrag, wie die am Vormittag gelb erscheinende Wiese nachmittags weiß erscheint und dann bei der Dämmerung das Gelb zurückkommt. Als scharfer Beobachter erkennt er, dass die Gänseblümchen um die Mittagszeit ihre Blüten öffnen und sich am Abend wieder schließen, so dass das Gelb des Hahnenfußes abhängig von der Tageszeit eine silberne Beimengung erhält. Solche tages-rhythmischen Blütenbewegungen finden sich bei vielen höheren Zweikeimblättrigen, der Hahnenfuß als robuste, doch ursprüngliche Art greift auf solche Raffinesse noch nicht zurück.