Ecballium elaterium - die Spritzgurke
Hochsommer in Süditalien - die Sonne brennt vom strahlendblauen Himmel, die Zikaden zirpen, auf den Kalksteinen entlang des Wegs sonnen sich Smaragdeidechsen. Davor wuchert ein Kraut mit großen, derben Blättern, die mit harten Warzen besetzt sind. Große, gelbe Blüten verraten die Verwandtschaft mit Kürbis und Zucchini. Während der eine Sproß noch blüht, schwellen am anderen große, grüne und stachlige Früchte, die im ausgewachsenen Zustand durchaus die Größe einer Landgurke erreichen können.
Da! Nur die Pflanze kurz gestreift und mit einem Zischen fliegt die reife Stachelgurke durch die Luft, hinter sich einen Schweif schleimiger Samen zurücklassend. Bis zu 10 Meter weit geht bisweilen der Flug. Die Samen bleiben nicht lange liegen - mit besonderen Duftstoffen locken sie Ameisen heran, die mit wohlschmeckenden Anhängseln (sogenannten Elaiosomen) dazu gebracht werden, die Samen mit sich zum Stock zu schleppen.
Wie funktioniert das? Das Innere der Frucht besteht aus sehr dünnwandigen Parenchymzellen, die während der Reife Zucker einlagern, der Wasser an sich zieht, so dass im Innern der Frucht sagenhafte 6 Atmosphären Druck entstehen. Am Ansatz des Fruchtstiels sind die Zellen nur leicht miteinander verbunden. Hier liegt also eine Sollbruchstelle. Irgendwann ist der Druck so groß, dass die Frucht vom Stiel abreißt und die Samen explosionsartig herausgeschleudert werden. Da die Früchte schräg angesetzt sind, entsteht eine Art pflanzliche Rakete, die ballistisch optimiert bis zu 10 m zurücklegen kann. Die Wissenschaft hat für diese Erfindung den schönen Namen "Saftdruckstreuer" erfunden.
Im Gegensatz zu ihrer verwandten Namensvetterin, der Speisegurke, einer der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit, ist der Verzehr der Spritzgurke nicht zu empfehlen: sie ist hochgiftig. Der Wirkstoff Cucurbitacin führt zu Erbrechen, Koliken und sogar zum Tod - in sehr geringen Mengen wird sie medizinisch als drastisches Abführmittel genutzt.
Die Spritzgurke kommt von Armenien bis Spanien im gesamten Mittelmeerraum vor und bildet zwei Typen - der eine Typ ist einhäusig (es gibt männliche und weibliche Blüten auf einer Pflanze), der andere ist zweihäusig (es gibt sogar männliche und weibliche Pflanzen). Der Unterschied geht auf ein Gen zurück und die beiden Typen können sich ganz normal kreuzen. Bisweilen werden diese Typen als "Unterarten" geführt, das ist eigentlich unsinnig - Mann und Frau sind ja auch nicht Unterarten des Menschen, sondern nur zwei Formen, die sich in ihrem Geschlecht unterscheiden. Was Spritzgurke und Mensch unterscheidet ist eigentlich nur, dass es zusätzlich zu Mann und Frau noch eine Art Transgender gibt, der männliche und weibliche Blüten trägt.