Aktuelle Pressemeldungen

Ursprung der Weinrebe

Vier Jahre harte Arbeit, fast 4000 Genome - die Frucht dieser Mühen wurde jetzt in Science publiziert. Die Wildrebensammlung am KIT spielte dabei eine wichtige Rolle. Es konnte gezeigt werden, dass die Weinrebe zweimal unabhängig domestiziert wurde. Einmal im Kaukasus, um daraus Wein zu keltern, ein zweites Mal im Nahen Osten, um sie als Tafeltraube zu nutzen. Bei ihrer Wanderung nach Westen gab es zahlreiche Amouren mit den lokalen Wildreben, woraus die große Vielfalt von Weinreben entstand. Dieses Projekt brachte Menschen aus 16 Ländern zusammen, trotz teilweise schwieriger politischer Umstände und erlaubt einen tieferen Einblick in die komplexe Geschichte dieser Kulturpflanze, die nicht nur Zivilisationen stiftete, sondern auch als eines der ersten globalen Handelsgüter Grenzen von Geographie, Sprache und Religion überwand. Der so geschaffene Wissensschatz ist noch nicht einmal angekratzt - während die Weinrebe im Wechselspiel zwischen klimatischen Umbrüchen und menschlicher Wanderung zahlreiche Regionen eroberte, sammelte sie Gene ein, die ihr erlauben mit zahlreichen Widrigkeiten fertig zu werden. Diese Gene können nun dabei helfen, den Weinbau gegen den Klimawandel zu wappnen - genau dies tun wir schon mit unserem Interreg Oberrhein Projekt Kliwiresse. Vortrag im Rahmen der Samstagsuni Freiburg.

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Interview mit der Washington Post

Zur Pressemeldung des KIT

Youtube zur Bedeutung des Projekts für die Region

Wie können Pflanzen Stressarten unterscheiden?

Pflanzen können nicht weglaufen, wenn Ihnen die Umwelt nicht zusagt. Sie müssen sich anpassen. Die Fähigkeit, Widrigkeiten erkennen und angemessen darauf reagieren zu können, ist also die zentrale Strategie für das pflanzliche Überleben. Wir müssen dies verstehen, um uns auf den Klimawandel vorbereiten zu können. Das ist nun auch im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Wie Pflanzen Stressarten unterscheiden können ist jedoch weitgehend unverstanden. Bei Kombinationen von Stressfaktoren müssen sie sogar richtige Entscheidungen treffen. Dies geschieht etwa an einem Hochsommertag - sollen die Blätter über Verdunstung gekühlt oder soll das Wasser lieber aufgespart werden, um Trockenheit besser zu überstehen? Wie gehen Entscheidungen ohne Gehirn? Für uns ist das so fremdartig, dass wir es nicht verstehen. Hier setzt unser neues Konzept an - kurz gefasst, schlagen wir vor, dass es eine Handvoll von Signalen gibt, die, je nachdem, wie sie kombiniert werden, unterschiedliche Stressformen bedeuten und daher auch unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Eigentlich ganz so wie menschliche Sprache  - die "Worte" sind Signalmoleküle, die "Grammatik" ist deren zeitliche Reihenfolge und Kombination. An konkreten Beispielen zeigen wir, dass die Idee funktioniert und entwickeln ihren evolutionären Zusammenhang. Die Idee mag ungewöhnlich sein, aber sie lässt sich experimentell überprüfen und sie liefert Erklärungen, um die komplexen Stressreaktionen von Pflanzen verstehen zu können.

Veröffentlichung

[63] Nick P (2024) Towards a Grammar of Plant Stress – Modular Signalling Conveys Meaning. Theor Exp Plant Physiol 36, 503-521- pdf

Genetische Barcodes knacken forensische Rätsel

Seit vielen Jahren arbeiten wir an Verfahren, um mit sogenannten DNA-Barcodes Fälschungen und Verwechslungen bei pflanzlichen Lebensmittel aber auch Medizinalprodukten aufzudecken. Unsere taxonomisch sorgfältig identifizierte und gepflegte Sammlung von Referenzpflanzen in der Versuchsanstalt des JKIP am Adenauerring spielt hier eine zentrale Rolle. Diese Arbeiten werden immer wieder von den Medien aufgegriffen, vor kurzem wieder in einer Sendung des Hessischen Rundfunks über Superfood, die dann auch von NDR, WDR, ARD und MDR gezeigt wurde (zum Video...).. Dieses Echo hat dazu geführt, dass sich inzwischen auch die Institutionen, die in Deutschland mit Lebensmittelsicherheit befasst sind, sich für unsere Methodik interessieren. Hier bekamen wir, mitten in der Coronazeit, eine ungewöhnliche Anfrage des Chemisch-Veterinärtechnischen Untersuchungsamts in Freiburg - hier lagen einige Fälle von Tiervergiftungen vor, die ungeklärt waren, ob wir sie dabei unterstützen könnten? Wir konnten - in einer Kombination aus mikroskopischer Diagnostik und DNA-Barcoding konnten wir alle Fälle aufklären. Die übliche Methodik, wo die Artzuweisung aufgrund einer statistischen generellen Sequenzähnlichkeit erfolgt, konnten wir dabei noch verfeinern, indem wir (statistisch nur schwer fassbare), spezifische Sequenzmotive als genetischen Fingerabdruck nutzen konnten - ein Ansatz, der in der Evolutionsforschung as Homologie aufgrund spezifischer Qualität bezeichnet wird. Diese forensische Studie haben wir nun bei PloS ONE publiziert:

204. Schweikle S, Häser A, Wetters S, Raisin M, Greiner M, Fischer U, Pietsch K, Suntz M, Nick P (2023) DNA barcoding as new diagnostic tool to lethal plant poisoning in herbivorous mammals. PloS ONE 18, e0292275 - pdf

INTERVIEW IM CAMPUS RADIO

Wildes Wachs trotzt dem Klimawandel

Der Klimawandel ist längst schon auch in unserer Region angekommen. Wie passen wir unsere Landwirtschaft daran an. Selbst der Weinbau leidet inzwischen unter der Hitze, obwohl die Weinrebe mit ihren tiefen Wurzeln eigentlich besser gerüstet sein sollte als andere Kulturpflanzen. Die immer massivere Sommerhitze bringt die Pflanzen in ein Dilemma – um die Photosynthese vor zu hohen Temperaturen zu schützen, müssen sie die Verdunstung durch die Spaltöffnungen steigern, um das immer mühsamer dem Boden entzogene Wasser zu sparen, müssen sie die Spaltöffnungen jedoch schließen. Wie lösen Wüstenpflanzen diese Zwickmühle? Sie überziehen ihre Blätter mit Wachs, so dass die Sonnenstrahlung reflektiert wird und gar nicht erst ins Blatt eindringen kann. Unsere Kulturreben haben jedoch nur eine sehr dünne Wachsschicht. Wir haben jedoch entdeckt, dass die Europäische Wildrebe, die Stamm-Mutter unserer Kulturrebe, viel mehr Oberflächenwachse bilden kann. Können wir das für die Züchtung nutzbar machen? Die Antwort ist ja – wir konnten zeigen, dass diese Eigenschaft in den Genen der Wildrebe eingeschrieben ist. Ein unerwarteter Nebeneffekt – die Sporen des Echten Mehltaus, einer Pilzkrankheit, die aufgrund des wärmeren Klimas immer mehr an Bedeutung gewinnt, haben Schwierigkeiten, auf der wachsreichen Oberfläche der Wildreben Fuß zu fassen. Sie brauchen deutlich länger, bis sie Anheftungsstrukturen, sogenannte Appressorien, zu bilden vermögen. Dies verschafft der Pflanze einen wertvollen Zeitvorteil, um ihre Abwehr in Stellung zu bringen.

Veröffentlichung

201. Ge XS, Hetzer B, Tisch C, Kortekamp A, Nick P (2023) Surface wax in the ancestral grapevine Vitis sylvestris correlate with partial resistance to Powdery Mildew. BMC Plant Biology 23, 304 - pdf

 

 

 

 

Salziger Wein

Eine häufig übersehene Folge des Klimawandels ist die Zunahme der Bodenversalzung - steigende Meeresspiegel, aber auch künstliche Bewässerung führen dazu, dass immer mehr Böden verlorengehen. In einem vom BMBF und dem Tunesischen Wissenschaftsministerium geförderten Projekt haben wir dies für die Weinrebe untersucht. In einer vergleichenden Studie zeigte sich, dass eine im Atlasgebirge gefundene Wildrebe, Tebaba, selbst unter Salzstress zu wachsen vermag, obwohl das Salz durchaus aufgenommen wird und in die Blätter aufsteigt. Gemeinsam mit dem Max-Rubner Institut können wir zeigen, dass die metabolischen Prozesse in den Blättern robuster aufeinander abgestimmt sind, so dass die Bildung von schädlichen reaktiven Sauerstoffspezies vermieden wird. Dadurch kann die Wildrebe ihre Ressourcen verstärkt der Photosynthese widmen. Es gibt also kein Wundermolekül der Resilienz, Resilienz ist vielmehr ein besser abgestimmtes Ineinandergreifen verschiedener metabolischer Prozesse. Diese Arbeit ist nun in der hochrangigen Zeitschrift Plant Physiology erschienen.

Veröffentlichung:

199. Daldoul S, Gargouri M, Weinert C, Jarrar A, Egert B, Mliki A, Nick P (2023) A Tunisian Wild Grape Leads to Metabolic Fingerprints of Salt Tolerance. Plant Physiology - pdf

Zur Pressemeldung des KIT

Zellen brauchen Kompetenz

In der Biotechnologie werden Zellen oft als "Biomasse" bezeichnet. Das klingt ein wenig so, als ob die Natur der Zellen letztendlich egal sei, solange nur die entsprechenden Gene (die ja oft über Gentechnologie eingeführt werden) vorhanden sind. In Wirklichkeit spielt die individuelle Besonderheit der erzeugenden Zelle eine große Rolle. Dies lässt sich sehr gut an medizinisch wichtigen Pflanzenstoffen beobachten, die häufig aus "Teamwork" mehrerer Zelltypen entstehen, wobei jeder Zelltyp eine andere Art von chemischer Reaktion durchführt. Am Beispiel von Catharanthus roseus, einer Heilpflanze aus Madagaskar, haben wir untersucht, ob wir das biotechnologisch nachstellen können. Diese Pflanze bildet Vincristin, einen sehr wirksamen Tumorwirkstoff - freilich braucht man 200 kg Blattmaterial, um 1 mg zu bekommen, weshalb dieser Stoff sehr teuer ist. Seit den 1960er Jahren wird daher versucht, den Stoff über Zellkulturen zu erzeugen, was immer fehlgeschlagen ist. Wir vermuteten, dass das daran liegt, dass man, so wie in der Pflanze auch, unterschiedliche Zelltypen zusammenbringen muss. Gemeinsam mit der Firma Phyton aus Ahrensburg machten wir uns auf die Suche nach unterschiedlichen Zelltypen und wurden fündig. Zwei Catharanthus-Zell-Linien, Cat1 und Cat4, aktivieren jeweils unterschiedliche Zweige des Stoff-Wechselwegs, die sich gegenseitig unterdrücken. Diese Zellen besitzen eine unterschiedliche metabolische Kompetenz. Als wir nun die Cat4 Zellen mit der von Cat1 erzeugten Vorstufe fütterten und durch das Stress-Hormon Jasmonsäure die Abwehr ankurbelten, konnten wir tatsächlich zum ersten Mal Vincristine erzeugen und über massenspektroskopische Verfahren eindeutig nachweisen. Die Mengen sind leider noch sehr gering, aber diese Arbeit zeigt, dass es prinzipiell möglich ist, wenn man die Vielfalt pflanzlicher Zellen und ihre individuelle Kompetenz ernst nimmt.

 

Veröffentlichung

190. Raorane ML, Manz C, Hildebrandt S, Mielke M, Thieme A, Keller J, Bunzel M, Nick P (2023) Cell type matters: competence for alkaloid metabolism differs in two seed-derived cell strains of Catharanthus roseus. Protoplasma 260, 349-369 - pdf

Was gibt es Neues?  Bioherbizid aus Minze

Ohne Pflanzenschutz geht es nicht - aber unsere bisherigen Herbizide belasten die Umwelt, vergiften das Grundwasser und richten allerlei Kollateralschäden an harmlosen oder gar nützlichen Lebewesen an. Wir brauchen mehr Spezifität. Die gibt es - alle Lebewesen nutzen vielfältige Signale, um andere in ihrem Sinne zu beeinflussen. Könnten wir uns das zunutze machen? Genau das haben wir hier getan: Minzen sind sehr durchsetzungsstark und duften je nach Art sehr unterschiedlich. Wir haben herausgefunden, dass diese Düfte Signale sind, mit denen sie andere Pflanzen zum Selbstmord überreden. Für die Pferdeminze haben wir das genauer untersucht und daraus eine Anwendung entwickelt, mit dem wir die Ackerwinde im Ökogetreideanbau unterdrücken können.

Veröffentlichung:

195. Sarheed M, Schärer HJ, Wang-Müller QY, Flury P, Maes C, Genva M, Fauconnier ML, Nick P (2023) Signal, not poison – Horsemint essential oil for weed control. Agriculture 13, 712 - pdf