Elektrischer Stuhl für depressive Mikroalgen

Worum geht es?

 

Mikroalgen können in Anbetracht des Klimawandels und der stetig wachsenden Weltbevölkerung als neue Energie- und Nahrungsressourcen zukünftig eine große Rolle spielen. Die Mikroalge Chlorella vulgaris ist für die Herstellung von Lebensmitteln zugelassen und besitzt hochwertige Inhaltsstoffe (Omega-3-Fettsäuren, Vitamine, Antioxidantien) mit einem Gehalt von ca. 50 % Protein bezogen auf die Trockenbiomasse. Zur Extraktion der Proteine kann die Methode der Elektroimpulsbehandlung (EIB, englisch pulsed electric field = PEF) angewandt werden, welche zur irreversiblen Elektroporation der Zellmembran führt. Als Folge stirbt die Zelle ab und es treten wasserlösliche Inhaltsstoffe der Zelle in die umgebende Lösung aus, darunter ca. 40 % des Gesamtproteins. Durch Zentrifugation können die Bestandteile getrennt werden und das Sediment für Lipidextraktion genutzt werden. Somit ist C. vulgaris ein vielversprechender Kandidat für die sequenzielle Extraktion von Proteinen und Lipiden.

Es ist nicht genau bekannt, welche biologischen Prozesse durch die EIB in der Zelle ausgelöst werden. Durch einen programmierten Zelltod werden über Genexpression Signalkaskaden aktiviert und Abbauprozesse durch hydrolytische Enzyme (u.a. Caspasen) kontrolliert gesteuert. Im Gegenzug steht die Nekrose als passiver, unkontrollierter Prozess des Zelltods, meist folgend auf eine letale Verletzung. C. vulgaris weist Anzeichen des programmierten Zelltodes nach der Elektroimpulsbehandlung auf (Scherer et al. 2019), welche jedoch auch durch Nekrose verbunden mit Membranpermeabilisierung erklärt werden können. Die Art des induzierten Zelltodes hat Einfluss auf die Proteinextraktion, sodass ein besseres Verständnis des Zelltodes zu Möglichkeiten einer verbesserten Proteinextraktion führen könnte. Während früher die Existenz von apoptotischen Prozessen bei Einzellern rundweg in Abrede gestellt wurde, gibt es inzwischen immer mehr Beispiele für programmierten Zelltod. Neben den angewandten Aspekten stellen sich hier also auch wichtige Fragen von evolutionsbiologischer Relevanz.

 

Wie gehen wir vor?

 

Der Umfang dieser Studie befasst sich mit der Entwicklung eines Systems zur Bestimmung und Überwachung von Einflussfaktoren im Zusammenhang mit dem Zelltod nach PEF Behandlung. Zu diesem Zweck wurde ein stabiles System zur Überwachung der Viabilität der Zellen nach PEF Behandlung eingerichtet. Zusätzlich wurden die Behandlungsparameter so eingestellt, dass ein festgelegtes Verhältnis von Zellen nach der Behandlung abstirbt und der andere Teil lebensfähig bleibt. Dies ermöglicht die Bestimmung von Änderungen des Viabilitätsverhältnisses nach verschiedenen Behandlungen. C. vulgaris vervielfältigt sich asexuell durch die Bildung von zwei bis vier (oder bis zu 32) Tochterzellen innerhalb der Mutterzelle, ein Prozess, der als Autosporulation bezeichnet wird. Das Verhalten der Mikroalgen hängt stark von der Art der Kultivierung ab. In synchronisierten Kulturen ist die Zellteilung kurz vor Beginn des Lichtzyklus auf einen kurzen Zeitraum begrenzt. Proben, die zum gleichen Zeitpunkt des Tages entnommen wurden, zeigen immer das gleiche Entwicklungsstadium der Zelle. Mit diesen Werkzeugen kann die Art des Zelltods im Zusammenhang mit der PEF Behandlung gründlich analysiert werden.