2015_09 Gallussäure, altchinesische Zitronen und Krebszellen

Aus altchinesischen Zitronen, die in der TCM genutzt werden, konnten wir die Gallussäure als Wirkstoff gegen Tumorzellen identifizieren. Nun wissen wir, wie Gallussäure wirkt.

Worum geht es?

Mikrotubuli sind ein zentraler Baustein des Cytoskeletts und bieten einen wichtigen Hebel, an dem Zellen manipuliert werden können. Die meisten Wirkstoffe, die für die Chemotherapie von Krebs eingesetzt werden, greifen an den Mikrotubuli an. Die schnell proliferierenden Krebszellen werden dadurch stärker geschädigt als die langsam wachsenden Körperzellen des Patienten. Glücklicherweise hat die Natur hier schon vorgearbeitet. Vor allem Pflanzen mit ihren mehr als 1 Million Sekundärstoffen bieten hier einen Riesenschatz, den es zu heben gilt. Allein das Alkaloid Taxol (Paclitaxel) aus der Pazifischen Eibe hat ein Marktvolumen von etwa 1 Mrd. €. Neue Wirkstoffe haben viel Potential, um Chemotherapie noch spezifischer zu machen und Nebenwirkungen zu mildern. Wir haben uns genetische Ressourcen aus China vorgenommen. Unsere Citrusfrüchte stammen von dort, und daher findet man noch Wildarten und alte Sorten, die aufgrund ihres bitteren Geschmacks nicht genutzt werden, aber voll von spannenden Wirkstoffen sind. Hier schürfen wir nach Molekülen, die Mikrotubuli verändern. Durch den Vergleich von Inhaltsstoffen aus Formen die in der Traditionellen Chinesischen Medizin zur Behandlung von krebsartigen Geschwüren eingesetzt werden mit den Inhaltsformen anderer Citrusarten, konnte der Sekundärstoff Gallussäure identifiziert werden.

Wie wirkt Gallussäure?

In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ute Schepers (Institut für Toxikologie und Genetik, KIT Campus Nord) haben wir die Wirkweise von Gallussäure an HeLa Krebszellen untersucht. Dabei zeigte sich, dass Gallussäure bei diesen Zellen einen apoptotischen Zelltod auslösen kann. Dies hängt damit zusammen, dass der Zellzyklus angehalten wird, gerade, wenn die Zelle zur Teilung ansetzt. Während normale Zellen eine Spindel mit zwei Polen ausbilden, findet man bei Krebszellen oft abnorme Spindeln mit mehreren Polen. Das führt natürlich zu Störungen der Teilung und zu mehrkernigen Riesenzellen, die dann oft absterben. Krebszellen haben nun jedoch eine Überlebensstrategie entwickelt, um dieses Problem zu umschiffen: sie kleben die Centriolen (das sind die Organellen, an denen die Spindel organisiert wird) so zusammen, dass man wieder zwei mehr oder minder normal funktionierende Pole bekommt. Genau diese Verkleben wird durch Gallussäure gehemmt. Für gesunde Zellen ist das kein Problem - sie haben ohnehin nur zwei Centriolen. Für Krebszellen führt das aber schon nach wenigen Zellteilungen zum Tode. Gallussäure erweist sich also als neuer interessanter Wirkstoff für die Tumorbekämpfung.

 

Veröffentlichung

Tan S, Grün C, Guan X, Zhou Z, Schepers U, Nick P (2015) Gallic acid induces mitotic catastrophe and inhibits centrosomal clustering in HeLa cells. J Toxicol in vitro. doi:10.1016/j.tiv.2015.09.011 - pdf