7: Kausalität

1. Sie haben über forward genetics herausgefunden, dass das Karthagener-Syndrom (gespiegelte Links-Rechts-Achse, situs inversus viscerum, das Herz ist also rechts, der Blinddarm links) mit einer Mutation im Gen für cytoplasmatisches Dynein korreliert. Sie wollen mithilfe des Modellorganismus Maus überprüfen, ob dieses Gen tatsächlich für die Links-Rechts-Achse verantwortlich ist). Ordnen Sie zu, was folgende Experimente aussagen:

Das Dynein ist für die korrekte Links-Rechts-Achse notwendig

Das Dynein ist für die korrekte Links-Rechts-Achse hinreichend

Das Dynein korreliert mit der Links-Rechts-Achse ist aber nicht zwingend die Ursache

  • Ein gezielter ko des Dyneins führt zum situs inversus
  • Auch bei Mäusen mit situs inversus findet man eine Mutation im Dyneingen
  • Ein knockin in situs inversus Mäuse mit einem WT-Dyneinallel führt zu normaler LR-Achse
  • Das Dyneintranskript ist zu dem Zeitpunkt der Embryogenese induziert, wenn die LR-Achse festgelegt wird
  • Wenn man die Funktion des Dyneins durch Injektion eines ATP-Analogons blockiert, erhält man einen situs inversus

2. „Anpassung“ gilt als wesentlicher evolutionärer Mechanismus, wobei die (ökologische) Differenzierung der Galapagos Finken als Modell angeführt  wird. Im Zentrum steht hier die Länge und die Breite des Schnabels, weil damit unterschiedliche Nahrungsquellen erschlossen werden, etwa kleine oder große, weiche oder hartschalige Samen. Die Häufigkeit dieser Nahrungsquellen hängt wiederum von klimatischen Bedingungen ab. Als in den späten 70er Jahren das Wetterphänomen La Niña auftrat, wobei durch eine Ablenkung des Humboldtstroms das Archipel eine lange Dürreperiode erlitt, konnte man beobachten, wie bei der Art Geospiza fortis die Schnäbel schnell und deutlich größer wurden. Die Geometrie des Schnabels wird in der Embryogenese von Vögeln durch Gradienten des Transkriptionsfaktors Bone Morphogenesis Factor 4 (BMP4) und des Signalproteins Calmodulin definiert, wie man mithilfe von Experimenten mit transgenen Hühnchen herausbekommen hat. Details haben Sie schon mal im 1. Semester gehört, nämlich in der Vorlesung "Makroevolution" der "Grundlagen der Biologie" (schauen Sie noch mal rein, die Folien finden Sie auf Ilias in der Veranstaltung dieses Semesters eingestellt). Diskutieren Sie die beiden folgenden Kausalaussagen: "La Niña verursachte eine Vergrößerung der Schnäbel bei Geospiza fortis" versus "Ein aktiveres Promotorallel führte zu höheren Pegeln von BMP4, was die beobachtete Vergrößerung der Schnäbel von Geospiza fortis verursachte". Merken Sie was?

3. ChatGPT und andere Large Language Models ziehen mit rasender Geschwindigkeit in unseren Alltag ein. Wir werden uns in einer späteren Sitzung noch genauer mit dem Thema KI befassen. Hier nur vorab die Frage, was der Begriff "Models" hier meint?

4. Um die genetischen Ursachen für menschliche Krankheiten zu finden, scheiden Versuche wie Überexpression oder knockout aus ethischen Gründen aus. Oft behilft man sich mit einer Technik, die Genome Wide Association Sequencing (GWAS) genannt wird. Welche Art der vier Kausalitätsargumentation nach Mill kommt hierbei zum Einsatz?

5. In der Biologie werden Kausalitätserzählungen zumeist über Experimente überprüft. Hierbei spielt die Frage, ob etwas reproduzierbar ist, eine große Rolle. Kausalitätserzählungen werden jedoch auch in vielen gesellschaftlichen Zusammenhängen benutzt. Häufig wird das sehr kontrovers ausgetragen. Beispielsweise: "Durch die mRNA Impfstoffe konnte die Covid-19 Pandemie eingedämmt werden" versus "Die Impfkampagne hatte so gut wie keinen Anteil am Rückgang von Covid-19, sie hat im Gegenteil durch Impfschäden mehr Schaden als Nutzen gebracht". Es geht jetzt nicht darum, Ihre Meinung zu erfragen, sondern vielmehr darum, sich diese Diskussion im Vergleich zu einer typischen Kausalitätserzählung der experimentellen Biologie anzuschauen. Gibt es Unterschiede, gibt es Gemeinsamkeiten?

6. "Die Wahrheit ist immer das erste Kriegsopfer", heisst ein geflügeltes Wort. Dies bewahrheitet sich zur Zeit (wieder einmal) im Ukrainekrieg. Was denken Sie, ist es überhaupt sinnvoll, nach einer "Wahrheit" zu suchen oder sollte man es nicht einfach sein lassen und sagen "alle Seiten haben irgendwie recht"?

Nachbereitung zu 7: Kausalität

  • Magisches Denken bei Kindern und Erwachsenen (Vorstufe der Kausalität). Woolley 1997, Child Development (auf Ilias)
  • Ernst Mayr: Ursache und Wirkung in der Biologie, Beginn des Kapitels (auf Ilias)