Chemical Engineering von Pflanzenzellen
Worum geht es?
Über genetic engineering kann man Zellen auf vielfältige Weise manipulieren. Man kann damit jedoch nur die Pflanze als Ganzes verändern. Um die Erscheinung der zellulären „Richtung“ studieren zu können, brauchen wir ein Werkzeug, das wir ebenfalls mit einer Richtung (einem Gradienten) einsetzen können. Daher arbeiten wir an einem chemical engineering für Pflanzenzellen. Besonders spannend sind Peptide, weil man diese für eine ganz bestimmte Zielstruktur zuschneiden kann. Doch wie bekommt man Peptide durch Zellwand und Plasmamembran in die Zelle hinein?
Wo stehen wir?
Wir haben in Zusammenarbeit mit Chemikern Trojanische Pferde entwickelt, die in Pflanzenzellen eindringen und dort spezifische Effekte auslösen können. Mit der AG Ulrich (CN-IBG) haben wir zellgängige Peptide entwickelt, die es erlauben, Actinfilamente sichtbar zu machen (Eggenberger et al. 2011) oder mithilfe eines urtümlichen Peptids aus dem Ginkgobaum Zellen zum Selbstmord zu überreden (Gao et al. 2016). Mit den AGs Bräse und Schepers (CN-ITG) haben wir "Trojanische Peptoide" (das sind peptidartige Strukturen, wobei die Seitenketten hier nicht am C, sondern am N der Peptidbindung sitzen) identifiziert, die gezielt in pflanzliche Mitochondrien eintransportiert werden.
Im Brennpunkt derzeit
Gemeinsam mit der AG Schepers bearbeiten wir zur Zeit Peptoide, die gezielt in Mitochondrien eindringen. Da dort an der inneren Membran die Atmungskette Sauerstoff zu Wasser umwandelt, erwarten wir, dass dieser Vorgang durch die Peptoide verändert wird. Dies sollte eine Veränderung in den Pegeln sogenannter Reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) führen. Diese werden gerne im Zusammenhang mit Alterung und Zellschäden diskutiert, wobei übersehen wird, dass sie ganz zentrale Signale für die Anpassung an Stress-Situationen darstellen. Wenn wir nun an diese Trojanischen Peptoide Moleküle koppeln, die reaktive Sauerstoffspezies abfangen, sollte sich dadurch die Stress-Anpassung der Zelle verändern lassen. Dies untersuchen wir momentan am Beispiel Salzstress an Tabakzellen. Hierbei setzen wir neben den ursprünglichen Zellen auch Zell-Linien ein, bei denen bestimmte Schritte der Jasmonatsynthese verändert sind. Jasmonat ist in etwas das Adrenalin der Pflanzen, also ein zentrales Stress-Hormon. Aber auch seine Vorstufe, OPDA, hat, ist wie man inzwischen weiß, ein eigenes Signal, das vor allem programmierten Zelltod steuert und mit den ROS in engem Zusammenhang steht. Das Enzym OPDA-Reduktase verarbeitet diese Vorstufe weiter und wirkt daher als Schalter zwischen den verschiedenen Reaktionen auf Salzstress. Wir haben nun eine Zell-Linie erzeugt, bei der dieses Enzym (fluoreszent markiert, so dass wir es beobachten können) hochgeregelt ist. In der Tat kann diese Linie auf Salzstress deutlich besser reagieren als der "Wildtyp". Im nächsten Schritt wollen wir nun über chemical engineering in diesen Prozess eingreifen. Dazu wird ein Trojanisches Peptoid eingesetzt, das mit einer Komponente gekoppelt wird, die in Kosmetika eingesetzt wird, weil sie über das Abfangen von ROS das Altern der Haut verhindern soll.
Publikationen zu dieser Thematik
73. Eggenberger K, Schröder T, Birtalan E, Bräse S, Nick P (2009) Passage of Trojan Peptoides into Plant Cells. ChemBioChem 10, 2504-2512 - pdf
82. Eggenberger K, Mink C, Wadhwani P, Ulrich AS, Nick P (2011) Using the peptide BP100 as a cell penetrating tool for chemical engineering of actin filaments within living plant cells. ChemBioChem 12, 132-137 - pdf
98. Liu Q, Qiao F, Ismail A, Chang X, Nick P (2013) The Plant Cytoskeleton Controls Regulatory Volume Increase. BBA Membranes1828, 2111–2120 - pdf
118. Gao N, Wadhwani P, Mühlhäuser P, Liu Q, Riemann M, Ulrich A, Nick P (2015) An antifungal protein from Ginkgo biloba binds actin and can trigger cell death. Protoplasma 235, 1159-1174 - pdf
128. Eggenberger K, Sanyal P, Hundt S, Wadhwani P, Ulrich AS, Nick P (2016) Challenge Integrity: The Cell-Permeating Peptide BP100 Interferes With The Actin-Auxin Oscillator. Plant Cell Physiology. doi 10.1093/pcp/pcw161 - pdf