19.07.2024: Die Rolle von StickstoffEsca & Co sind keine neue Krankheit. Neu ist nur das epidemische Ausmaß in Gefolge des Klimawandels. Unsere Arbeiten zur Immunität der Pflanze haben gezeigt, dass der Ausbruch von Symptomen mit einer gestörten chemischen Kommunikation zwischen holzbesiedelnden Pilzen und der Pflanze zusammenhängen. Einige der Signale konnten wir sogar schon aufklären. Zentral hierbei sind phenolische Substanzen der Pflanze, die entweder als Abwehrstoffe gegen Mikroben gebildet werden (sogenannte Phytoalexine) oder die als Vorläufer des Holzstoffs Lignin fungieren und dann, wenn aufgrund von Klimastress die Ligninbildung verlangsamt ist, sich anhäufen und dem Pilz signalisieren, dass sein "Wirt" geschwächt ist. Die Eintrittspforte in diesen Stoffwechselweg ist die Desaminierung der Aminosäure Phenylalanin, wobei Ammonium frei wird. Ammonium wiederum spielt für eine zweite Eintrittspforte eine wichtige Rolle - durch Bindung an die Aminosäure Glutamat wird Glutamin gebildet, von wo aus diese Aminogruppe für die Bildung aller anderen Aminosäuren weitergereicht wird. Die Bildung von Proteinen und die Bildung von phenolischen Substanzen sind also eng miteinander verwoben. Können wir diese Verkettung dafür nutzen, um über Veränderung des Stickstoffpegels (zum Beispiel durch Mikroben) das Krankheitsgeschehen günstig zu beeinflussen? Frau Dr. Elnaz Zareei ist nun mit einem Georg-Forster-Forschungsstipendiums für zwei Jahre aus dem Iran ans JKIP gekommen, um genau diese Frage zu untersuchen. |
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24.11.2023: Optimiertes MikrobiomDas Projekt fusst auf der Idee, dass die Mikroben im Wurzelraum über Signale das Immunsystem der Weinrebe stärken können. Unsere Arbeiten zeigen, dass Esca & Co stress-bedingte Krankheiten sind, die auf einer gestörten chemischen Kommunikation zwischen den auslösenden Pilzen und der Wirtspflanze beruhen. Schlüssel dabei ist Ferulasäure, die sich anhäuft, wenn die Weinrebe unter Klimastress gerät und vom Pilz als "Kapitulationssignal" gedeutet wird, was ihn dazu veranlasst, das Toxin Fusicoccin A zu bilden, was wiederum als Selbstmordsignal für die Rebenzellen fungiert, so dass der Pilz die Zelle töten und ihre Ressourcen für seine eigene Sexualität nutzen kann, um sich so über die Sporen einen neuen Wirt zu suchen. Wir fragten nun, ob wir durch Veränderungen des Mikrobioms im Boden die Bildung von Ferulasäure unterdrücken können, auch wenn die Pflanze unter Klimastress steht. Als Hebel setzten wir dabei terra preta ein, die wir dem Boden beisetzten. In einem großen Versuch mit kontrollierten Bedingungen konnten wir zeigen, dass dadurch die Ausprägung der Krankheit stark verbessert wird, was mit einer stärkeren Aktivierung von pflanzlichen Immunitätsgenen einhergeht. Aber ändert sich dadurch auch das Mikrobiom? Die bei diesem Versuch gewonnenen Metagenomdaten wurden nun von Tyra Magold im Rahmen ihrer Masterarbeit bioinformatisch analysiert. Dabei zeigte sich, dass sowohl bei den Bakterien, als auch bei den Pilzen im Boden deutliche Veränderungen des Artenspektrums und der Häufigkeit einzelner Gruppen zu beobachten waren, die auch statistisch signifikant sind. Darunter sind auch einige Mikroben, die gemeinsam mit der besseren Immunreaktion der Pflanze auftreten. Im nächsten Schritt geht es nun darum, herauszufinden, ob diese statistische Verbindung auf einen ursächlichen Zusammenhang zurückgehen. Wenn dies für einen der gefundenen Kandidaten gelingt, könnte man darauf eine Therapie gegen Esca & Co entwickeln. |
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01.08.2023: Gesunde KommunikationEsca & Co sind Krankheiten, die infolge des Klimawandels zunehmend sichtbar werden. Verursacher sind Pilze, die im Holz leben, dies zumeist jahrelang und ohne Symptome zu verursachen. Wenn die Weinrebe unter Stress gerät - etwa infolge eines heißen und trockenen Sommers - ändern diese Pilze ihr Verhalten, bilden Toxine, ermorden ihren "Wirt", nutzen die Energie der Leiche, machen Sex und hauen ab (sie bilden Fruchtkörper und Sporen, um einen neuen, möglicherweise gesünderen Wirt besiedeln zu können). Wir konnten zeigen, dass das Krankheitsgeschehen dadurch ausgelöst wird, dass der Wirt unter Stress Ferulasäure, eine Vorstufe des Holzstoffs Lignin, anhäuft. Nun konnten wir herausfinden, was der Pilz absondert, wenn er nicht durch Ferulasäure alarmiert wird: 4-Hydroxyphenyl-Essigsäure. Dieser Stoff simuliert das pflanzeneigene Hormon Auxin und legt hier ganz raffiniert einen Teil der Abwehr still, nämlich ein Enzym, das den Abwehrstoff Pterostilben bildet. Dieses Auxin-Imitat kann auch das Wachstum anregen, so dass der Pilz den Wirt fördert und sich damit seine eigene Nahrungsquelle schafft. Ist 4-Hydroxyphenyl-Essigsäure also ein Molekül, das einen chemischen Kompromiss zwischen Wirt und Pilz herstellt? Wenn ja, könnten wir vielleicht Bedingungen finden, um Esca & Co selbst unter Klimastress friedlich zu halten? Diese Arbeit ist nun zur Veröffentlichung angenommen: 202. Flubacher NS, Baltenweck R, Hugueney P, Fischer J, Thines E, Riemann M, Nick P, Khattab IM (2023) The fungal metabolite 4-hydroxyphenylacetic acid from Neofusicoccum parvum modulates defence responses in grapevine. Plant Cell & Environment 46, 3575-3591 - pdf |
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01.01.2023: Kliwiresse - Weinbau klimafestAm 1.10.2022 begann unser neues Interreg-Oberrhein Projekt Kliwiresse. In einem vom Botanischen Institut koordinierten Forschungsverbund mit Partnern aus den drei Ländern der Region geht es darum, den Weinbau an den Klimawandel anzupassen. Vielerorts können neue Rebanlagen nur noch mit künstlicher Bewässerung angelegt werden, was Konflikte mit der Trinkwasserversorgung schaffen wird. Wir bitten die Stamm-Mutter unserer Reben, die fast ausgestorbene Europäische Wildrebe, um Hilfe. Hier suchen wir nach Genen, die dabei helfen, mit Hitze-, UV- und Trockenstress zurechtzukommen, um diese in Kulturreben einzukreuzen. Dabei kommen modernste Technologien wie automatisierte Mikroskopiesysteme, non-targeted Metabolomik oder Doppelhaploidisierung zum Einsatz. Ziel sind KliWi-Reben (für Klima-Widerständig), die die Erfolgsgeschichte der ebenfalls in unserer Region entwickelten PiWi-Reben (für Pilz-Widerstandsfähig) fortschreiben sollen. Gleichzeitig sollen für die in der Region vorkommenden Unterlags- und Ertragssorten wissenschaftsbasierte Steckbriefe ihrer Klimaresilienz entwickelt werden, damit sich der Weinbau bei der Neuanlage von Rebanlagen anpassen kann. Das dreijährige Projekt soll 2.8 Millionen € kosten, wovon 1.6 Millionen € von Interreg Oberrhein übernommen werden. |
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15.10.2022: Wie Klimastress Pflanzen krankmachtEsca & Co ist eigentlich eine stressbedingte Krankheit. Die verursachenden Pilze können viele Jahre im Holz siedeln, ohne Symptome zu verursachen. Wenn die Pflanze jedoch Klimastress ausgesetzt wird, wie es auch hierzulande immer öfter geschieht, kann der Pilz das wahrnehmen und zieht dann andere Saiten auf - er bringt seinen Wirt um, klaut sich die Energie aus der Leiche, macht Sex und macht sich davon (er bildet Sporen). Der evolutionäre Sinn besteht darin, dass der Pilz von einem kränkelnden Wirt nicht mehr viel zu erwarten hat und sich daher eine neue Bleibe suchen muss. Der Ausbruch von Esca & Co wird also von chemischen Signalen gesteuert. In einer Kooperation mit dem Institut für Biologische Wirkstoff-Forschung (IBWF) in Kaiserslautern ist es uns nun gelungen, zwei dieser Signale aufzuklären. Unter Stress häuft sich im Holz der Weinrebe Ferulasäure an, weil diese Vorstufe des Holzstoffs Lignin nicht mehr eingebaut werden kann. Der Pilz Neofusicoccum parvum hat "gelernt", Ferulasäure als Signal für die Krise der Wirtspflanze zu erkennen und reagiert damit mit der Bildung von Fusicoccin A. Auch Fusicoccin A ist ein Signal. Es löst in der Weinrebe den programmierten Zelltod aus, eine Form von zellulärem Selbstmord, der eigentlich für die Abwehr von sogenannten biotrophen Pathogenen gedacht ist. Diese "modernen" Erreger können die Wirtszelle in eine Art Zombie verwandeln, der willenlos den Eindringling mit Zucker versorgt. Die ökonomisch bedeutenden Krankheiten Rebenperonospora und Mehltau zählen hier dazu. Der Selbstmord der Zombiezelle reißt auch diese biotrophen Erreger mit in den Tod. Für die Abwehr von Esca & Co ist diese Form von Verteidigung jedoch völlig unangebracht. Esca-Pilze ernähren sich ja ohnehin von Zell-Leichen, sie sind, wie man sagt, nekrotroph. Eine Wirtszelle, die sich selber umbringt, ist daher für den Pilz ein gefundenes Fressen. Fusicoccin A manipuliert also die Abwehr der Pflanze in einer Weise, die nicht der Pflanze nützt, dem Pilz aber schon. Diese raffinierte Manipulation über chemische Signale konnten wir nun aufklären und soeben in der Fachzeitschrift Plant Cell & Environment publizieren. Khattab I, Fischer J, Kazmierczak A, Thines E, Nick P (2022) Hunting the plant surrender signal activating apoplexy in grapevines after Neofusicoccum parvum infection. Plant Cell Environment doi.org/10.1111/pce.14468 - pdf
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27.07.2022: MikrobenkampagneUm Mikroben zu finden, die im Wurzelraum leben und das Immunsystem der Rebe stärken können, so dass sie Esca & Co besser widerstehen kann, planen für August 2022 eine Sammelkampagne in der gesamten Oberrheinregion. Hier brauchen wir die Hilfe von Winzerinnen und Winzern: wenn Sie in Ihrem Weinberg von Esca befallene Stöcke haben, können Sie uns kontaktieren. Wir entnehmen dann eine kleine Menge (ca. 1 Liter) Erde im Unterstockbereich, als Kontrollprobe Erde von gesunden Reben im selben Weinberg. Natürlich tun wir das sehr vorsichtig und schonend, um ihre wertvollen Rebstöcke nicht zu schädigen. Aus der Erdprobe wird dann die DNS extrahiert und mithilfe modernster Technologie (sogenannter Metagenomik) untersucht. Wir könne dann die Zusammensetzung der Mikrobenflora feststellen, um so "heilende" Mikroben zu finden, die auch in einem heißen und trockenen Sommer, wie er auch dieses Jahr wieder zu erwarten ist, der Pflanze dabei helfen, den Ausbruch des sogenannten apoplektischen Zusammenbruchs (rechts Bild) zu verhindern. Hier können Sie sich anmelden. |