2018_05 Cooler Reis

cool rice Peter Nick
Mithilfe einer Kombination von Genhälften konnten wir einen Reis erzeugen, der Salzstress gelassener gegenübersteht.

"Komm mal wieder runter" auf pflanzlich

Stress gehört zum Leben dazu und hilft uns dabei, an Herausforderungen zu wachsen. Wenn ein Organismus jedoch dauerhaft Stress wahrnimmt, wird er krank. Viele Zivilisationskrankheiten lassen sich inzwischen auf eine gestörte Verarbeitung von Stress-Signalen zurückführen. Wenn ein Stress-Signal ausgelöst wurde, hat es seinen Zweck erfüllt und muss daher wieder abgeschaltet werden. Bei Pflanzen ist das nicht anders: Hier ist es die Jasmonsäure, die als zentrales Signal die Wahrnehmung und Anpassung an Stress steuert. In früheren Arbeiten konnten wir zeigen, dass Salzstress in Zellen der Weinreben zu einer erfolgreichen Anpassung führt, wenn der Pegel der Jasmonsäure schnell hoch-, aber danach auch schnell wieder runtergeht. Wenn der Pegel dauerhaft erhöht bleibt, bringt sich die Zelle dagegen um (sogenannter programmierter Zelltod).

Es kommt also nicht nur auf die molekulare Natur des Signals an (in beiden Fällen Jasmonsäure), sondern auch auf das zeitliche Muster, in dem es entsteht und wieder vergeht (die sogenannte Signatur).

In der Tat haben Pflanzen verschiedene Wege entwickelt, das Stress-Signal wieder abzuschalten. Beispielsweise wird die Verarbeitung des Jasmonsäuresignals durch sogenannte jaz-Proteine gehemmt. Die Gene für diese "Abschalter" sind unter den ersten, die in Antwort auf Jasmonsäure angeschalten werden. Man hat es hier also mit einer sogenannten negativen Rückkopplung zu tun, wodurch das Stress-Signal Jasmonsäure kurz nachdem es ausgelöst wurde, wieder verschwindet.

 

Können wir Reis "cooler" machen?

Diese Überlegungen und Forschungsergebnisse brachten uns auf folgende Idee: wenn wir die Jasmonsäure-Signatur entsprechend anpassen, sollte es möglich sein, Reis (der sehr panisch auf Salzstress reagiert) etwas gelassener zu machen. Diese Idee setzten wir gleich in die Tat um, indem wir zwei Hälften zweier passender Gene kreuzweise kombinierten: wir nutzten die protein-kodierende Sequenz des Gens JAZ8 (unter den zahlreichen jaz-Genen von Reis ist jaz8 der zentrale Abschalter für Salzstress) und platzierten sie hinter eine Steuersequenz, die durch Salzstress stark aktiviert wird. Hierfür nutzten wir die Promotoren von zos11 und zos12, Genschaltern, die bei Reis sehr stark durch Salzstress aktiviert wurden. Wenn diese Genchimäre in eine Zelle eingebracht würde, sollte unter Normalbedingungen nichts passieren, weil die Steuersequenzen ausgeschaltet sind. Die Zelle sollte sich also völlig normal entwickeln. In dem Moment, wo sie mit Salzstress konfrontiert wird (wobei jede Menge Jasmonsäure entsteht), sollte die Steuersequenz anspringen und die Bildung des JAZ8-Proteins hervorrufen, was die Stressreaktion wieder abschaltet. Dies probierten wir erst einmal an den leichter zugänglichen Tabak BY-2 Zellen aus. In der Tat konnten wir zeigen, dass die Pegel an JAZ8-Protein durch Salz und Jasmonsäure gesteuert werden konnten und dass diese Zellen auch unter Salzstress ihre Teilungsfähigkeit beibehielten und besser überlebten. Ermutigt durch diesen Befund gingen wir dann zu Reis über. Die Herstellung transgener Reislinien ist ein langwieriger Prozess und so dauerte es fast drei Jahre, bis es uns, in Kooperation mit Kollegen in Montpellier, gelungen war, genügend Saatgut von diesen gentechnisch veränderten Pflanzen zu erhalten, damit das erprobt werden konnte. Schließlich waren wir so weit und in der Tat: es klappte. Diese Reispflanzen bilden nach Salzbehandlung sehr viel jaz8 und dies hat zur Folge, dass sie unter Salzstress nicht ihre Blätter abwerfen, sondern stattdessen versuchen, das Salz in der Zellvakuole zu sammeln, so dass sie weiter wachsen können.

 

Was kann man damit machen?

Unsere Idee ist nun nicht, mit diesen transgenen Reislinien das Problem Salzstress anzugehen (in Südostasien ein großes Problem, man denke nur an Bangladesh, wo fast jedes Jahr Reisfelder zeitweise vom Meer überflutet werden). Wir konnten mit dieser Arbeit zeigen, dass die Verbesserung der Jasmonsäure-Signatur ein wirksamer Weg ist, die Stress-Reaktion von Reis zu verbessern. Gemeinsam mit Kollegen vom International Rice Research Institute (IRRI) auf den Philippinen suchen wir nun nach natürlich in Reis (Wildarten oder alten Landrassen) vorkommenden Varianten der jaz8-Steuersequenz, die in Antwort auf Salzstress schneller aktiviert wird. Diese "coole" Version des Schalters kann dann in Hochertragssorten eingekreuzt werden. Da man die gewünschte Gensequenz genau kennt, kann man in der großen Nachkommenschaft einer solchen Kreuzung mithilfe sogenannter PCR die Individuen herausfinden, die den "coolen" jaz8 Schalter abbekommen haben, aber gleichzeitig auch die Gene für hohen Ertrag (sogenanntes smart breeding). Die so erzeugten Pflanzen wären also nicht gentechnisch verändert - es wurde ja nur natürliche Sexualität zu ihrer Erzeugung eingesetzt. Freilich hat Gentechnik dabei geholfen, das Wissen hervorzubringen, um diesen Weg überhaupt zu entwickeln.

 

Veröffentlichung

139. Peethambaran PK, Glenz R, Höninger S, Islam S, Hummel S, Harter K, Kolukisaoglu Ü, Meynard D, Guiderdoni E, Nick P, Riemann M (2018) Salt-inducible expression of OsJAZ8 improves resilience against salt-stress. BMC Plant Biol 18, 311 - pdf