M4F Aktuell: Bakterien essen Manipulationssignal

In unseren vorausgegangenen Arbeiten konnten wir zeigen, dass der Escapilz Neofusicoccum parvum 4-Hydroxyphenyl-Essigsäure (4-HPA) sezerniert, um damit das Immunsystem der Weinrebe gezielt auszuschalten und so ungehindert das Innere des Rebstocks besiedeln zu können. Wir konnten zeigen, dass man durch Zugabe von terra preta im Wurzelraum die Ausbreitung des Pilzes hemmen kann. Aber wie funktioniert das? Über komplexe bioinformatische Analysen konnte Dr. Islam Khattab zeigen, dass terra preta bestimmte Bakterien begünstigt. Nun hat er erstmals eine Erklärung gefunden, auf welche Weise diese Bakterien die Pflanze unterstützen: Durch Identifizierung ihrer Stoffwechselgene konnte er zeigen, dass diese Bakterien gezielt 4-HPA abbauen. Sie entfernen damit das chemische Signal mit dem der Pilz die pflanzliche Immunität manipuliert. Mithilfe dieser Bakterien kann man also das Immunsystem der Pflanze schützen. Im nächsten Schritt wollen wir versuchen, auf dieser Grundlage eine Art "Schutzimpfung" zu entwickeln. Freilich werden hier keine Antikörper gebildet, die Rolle der Antikörper wird hier von Bakterien übernommen.

 

M4F - Microbes for Future

Wir wollen Mikroben im Boden nutzen, um Weinreben gegen die durch den Klimawandel bedingte Esca-Krankheit zu wappnen.

Der Klimawandel ist auch in unserer Region angekommen. Die heißen und trockenen Sommer hinterlassen auch im Weinbau immer mehr Spuren. An sich harmlose Pilze, die als zumeist friedliche "Mitesser" im Holz des Weinstocks siedeln, werden plötzlich zu üblen Killern, die ihre Wirtspflanze binnen weniger Tage mit Giftstoffen umbringen und dann die Energie der Leiche nutzen, um sich der sexuellen Fortpflanzung hinzugeben und dann über die Sporen sich einen neuen, ertragreicheren Wirt zu suchen. Es handelt sich nicht um eine neue Krankheit. Die erste Beschreibung dieses sogenannten apoplektischen Zusammenbruchs stammt aus dem im frühen Mittelalter herausgegebenen Buch Kitab al Filaha, das damals das gesammelte landwirtschaftliche Wissen der arabischen Welt wiedergab. Freilich ist dieses Phänomen, unter den Winzern auch als Esca-Syndrom bekannt (weil das Holz zunderartig, lateinisch esca, zersetzt wird) immer häufiger geworden. Allein im Elsass werden die 2018 durch Esca verursachten Schäden auf mehr als 1 Mrd. € geschätzt.

In unseren früheren Forschungen konnten wir zeigen, dass die Apoplexie von einer fehlgeleiteten chemischen Kommunikation zwischen dem gestressten Wirt und dem Pilz verursacht wird. Wir konnten ebenfalls zeigen, dass manche Europäischen Wildreben in der Lage sind, diese Kommunikation zu ihren Gunsten zu verändern und so resistent sind. Wenn wir ein Verfahren finden, dies auch in unseren anfälligen Kulturreben hinzubekommen, könnten wir so den Weinbau klimafest machen.

Genau dies ist das Ziel unseres Projekts „Microbes for Future“. So wie wir eine Darmflora haben, die für unser Immunsystem wichtig ist, besitzen Pflanzen in ihrem Wurzelraum ein sorgsam gepflegtes Pflanzenmikrobiom. Wir wollen nun herausfinden, wie sich dieses Mikrobiom von kranken und gesunden Reben unterscheidet und ob wir es günstig beeinflussen können. Dazu wollen wir sogenannte terra preta (Schwarzerde) einsetzen und untersuchen, wie wir dadurch das Mikrobiom und das pflanzlichen Immunsystem verbessern können.

Das Projekt ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen dem Botanischen Institut (Prof. Dr. Peter Nick) und dem Institut für Biologische Grenzflächen V (Prof. Dr. Anne Kaster) und wird aus dem Strategiefond des Präsidiums gefördert.