Botanisches Seminar: Zelle, Entwicklung, Stress, Diversität

Wintersemester 2024: PFLANZEN, KULTUR UND GLOBALISIERUNG - Start Donnerstag 31.10.2024, 8:15

WANN? Do 8:15-9:45 (nach Vereinbarung). WO? Seminarraum 506-507, Bioturm, 5. OG. WER? Prof. Dr. Peter Nick. FÜR WEN? Bachelor Biologie 5. Semester, Master Biologie, Lehramt Biologie

 

Lernziele

Jedes Semester wird ein bestimmtes Themenfeld von verschiedenen Blickwinkeln so beleuchtet, dass ein Gesamtbild entsteht.

  • Einüben von Recherchetechniken
  • Einüben von Vortragstechniken
  • Minisymposium

Das Seminar richtet sich an Studierende der Studiengänge Biologie Bachelor (Allgemeine und Angewandte Biologie), Biologie Master, Biologie Lehramt, Geoökologie, ist aber auch für Studierende anderer Studiengänge offen. Sprechen Sie mich einfach an. Für den Bachelor, Lehramt und Geoökologie gibt es bei der Literaturrecherche etwas mehr Hilfestellung, für den Master wird ein höherer Grad an Eigenständigkeit vorausgesetzt.

 

Thema 2024: PFLANZEN, KULTUR UND GLOBALISIERUNG

Pflanzen haben die Menschwerdung begleitet und standen Pate bei der Neolithischen Revolution, aus der die heutigen Zivilisationen hervorgegangen sind. Pflanzen haben den Austausch menschlicher Kulturen ermöglicht und bereichert. Sie waren jedoch auch handfeste Werkzeuge, als Europa den Rest der Welt durch Kolonisierung unterwarf. Für die Herausforderungen der Zukunft wird pflanzliche Diversität zum Schlüsselfaktor, Verfügung über diesen Faktor bestimmt letztendlich politische Macht. Botanik ist also ihrem Wesen nach mit Kultur und Globalisierung verknüpft, mit allen Licht- und Schattenseiten. Sie wird so zu einer zutiefst politischen Wissenschaft. Das Seminar betrachtet aus vielen Blickwinkeln und mit ganzheitlichem Anspruch, wie Menschen Pflanzen domestizierten, wie diese Domestizierung die Pflanzen veränderte, umgekehrt aber auch Biologie und Kultur der Menschen prägte. Pflanzen schrieben Geschichte - wer hätte gedacht, dass die Wiedereinführung der Sklaverei, ausgerechnet in einem damals fortschrittlichen Land, der USA, letztendlich mit der Domestizierung des Zuckerrohrs zusammenhängt oder dass die Baumwolle, schon vor Ankunft des Menschen, eine hoch globalisierte Pflanze war? Wer kennt den bislang vermutlich krassesten Fall von Biopiraterie, als Großbritannien die Menschen in China in die Opiumsucht trieb, nur um die Verfügungsgewalt über den Teestrauch zu erringen und diesen sogar aus China stehlen zu lassen? Wie gehen wir damit um, dass auch heute noch Firmen immer wieder mit juristischen Tricks versuchen, sich pflanzliche Biodiversität als Privatbesitz zu sichern? Diese Art von Fragen kommen in diesem Semester zur Sprache.

Impulsfolien, Aufzeichnung Impulsvortrag und andere Materialien finden Sie auf Ilias (Pfad: Fakultät Chemie und Biowissenschaften - laufendes Semester - BIO_MA_Seminar_Botanik

Ablauf

Recherchetechniken: Zunächst wird das Thema mithilfe von Impulsreferaten und Ausarbeitung von Fragenkomplexen umrissen. Dann werden Teams gebildet, die zu den einzelnen Fragenkomplexen die relevante Literatur recherchieren.

Vortragstechniken: Wir entwickeln Kriterien für einen guten Vortrag, die als Basis für eine faire und konstruktive Rückmeldung dienen. Alle bekommen zwei Chancen. Beim ersten mal erhalten sie von den anderen Rückmeldung zu Vortragsstil und –technik. Dies kann dann für eine verbesserte zweite Version genutzt werden.

Minisymposium: Für die zweite Runde der Vorträge wird ein Termin in der vorlesungsfreien Zeit vereinbart, wo die Vorträge in Form eines Minisymposiums vorgestellt werden. Auf diese Weise entsteht noch einmal ein Gesamtbild der Thematik. Dieses Minisymposium ist für Gäste (z.B. Promovierende, die sich für die jeweilige Thematik interessieren) offen.

Thema 2023: PHANTOM ZELLE

Eigentlich ein zentrales Konzept der Biologie, aber in Wirklichkeit ein Phantom, das nur schwer zu greifen ist. Grundsätzliche Fragen der Biologie haben mit Zellen zu tun: Alles Leben ist an Zellen gebunden, warum eigentlich? Wie sind Zellen eigentlich entstanden? Können wir Zellen "machen"? Trotz ihrer Bedeutung wurden Zellen sehr unterschiedlich beschrieben - letztendlich erscheinen sie uns so, wie unsere jeweilige Methodik vorgibt. Wie sind sie nun "wirklich"? Ein wichtiger Grund, warum Zellen eine so neblige Angelegenheit sind, ist die Betrachtung ihrer Grenzen - Fortschritte in der modernen Mikroskopie zeigen, dass die Zellmembran gar nicht so klar zwischen innen und außen trennt, wie man das bisher gedacht hat. Die Entdeckung von Exosomen zeigt, dass "Zellen" in erstaunlicher Entfernung sehr gezielte Wirkungen entfalten können. Vielleicht wäre es fruchtbarer, "Zellen" nicht als feste Objekte zu verstehen, sondern als dynamische Prozesse, die sich selbst immer wieder erzeugen. Das Seminar betrachtet also biologische, aber auch philosophische Aspekte des Konzepts "Zelle", das ebenso für die Biologie zentral wie unscharf ist.

Thema 2022: IMMUNITÄT OHNE ANTIKÖRPER

Die Covid-Pandemie hat unser Immunsystem ins Zentrum der politischen Debatte gerückt. Es wird dabei jedoch vergessen, dass das individuell lernfähige, "adaptive" Immunsystem eine sehr junge Entwicklung der Evolution ist. Viel verbreiteter und auch viel älter ist die angeborene Immunität. Die Fähigkeit "selbst" und "nicht-selbst" zu unterscheiden hat das Leben seit seinen Anfängen begleitet. Schon bei den Bakterien findet sich Immunität. Wie wehren sich die unbeweglichen Pflanzen gegen Angreifer? Wie entsteht hier Spezifität? Wie werden hier "selbst" und "nicht-selbst" unterschieden, und warum führt das abhängig vom Kontext zu völlig verschiedenen Reaktionen? Gerade durch seine Andersartigkeit erlaubt die pflanzliche Immunität auch ein tieferes Verständnis unseres eigenen Immunsystems.

Thema 2021: KLIMA WANDEL(T) ARTEN

Der Klimawandel stellt die Menschheit vor große Herausforderungen. Wenn es nicht gelingt, rechtzeitig unsere Landwirtschaft gegen die Folgen zu wappnen, wird die Zivilisation durch Hunger und Kriege zusammenbrechen. Die Evolution der Pflanzen wurde immer wieder durch Klimawandel geprägt. Wenn wir verstehen, wie sie sich daran angepasst und überlebt haben, können wir uns besser auf die globale Erwärmung einstellen und auch der Öffentlichkeit und Politik klarer machen, warum jetzt entschlossen gehandelt werden muss.

Thema 2020: JASMONAT - ADRENALIN

Was ist eigentlich Stress? Wie unterscheidet sich Pflanzenstress von Stress bei Menschen? Was bei uns Adrenalin ist, ist für die Pflanze Jasmonsäure-Isoleucin, die aktive Form der sogenannten Jasmonate, die zahlreiche und sehr unterschiedliche Stressreaktionen der Pflanze steuert. Jede Form von Stress erfordert eine unterschiedliche Form von Anpassung. Wie wird hier die Spezifität gewährleistet?

Thema 2019: PANTA REI - ALLES FLIESST

Unser Bild von der Zelle ist stark davon geprägt, welche Methoden uns zur Verfügung stehen. Die Elektronenmikroskopie führte zu einem sehr statischen Bild, weil die Präparation chemische Fixierung, Entwässerung und Ultramikrotomie erfordert. Die GFP-Technologie zeigt uns die Zelle in einem neuen Licht - plötzlich erscheinen uns Organellen nicht mehr als fixe Gebilde, sondern als Schnappschüsse dynamischer Prozesse. Besonders ausgeprägt ist das für den Membranfluss. Die von den Lehrbüchern dargestellten Kompartimente sind in wirklich gar nicht so klar voneinander getrennt, wie man Ihnen im Studium gerne glauben macht. Nehmen Sie einmal eine neue Sichtweise ein und schauen auf die Zelle als brodelnden Hexenkessel, der immer im Fluss ist und dennoch eine Ordnung hervorbringt.